Etwas zu viel Haut, erschlaffte Muskeln, Fettansammlungen – fertig ist das Schlupflid. Als ihr Blick dauerhaft müde wird, entschließt sich unsere Autorin zu einer Oberlidkorrektur.
Ein sonniger Tag im Mai. Ich komme vom Friseur und fühle mich beschwingt. Wenn ein Selfie, dann jetzt, denke ich, hole das Handy und gebe alles. Die Haare? Top. Zufrieden bin ich trotzdem mit keinem der Fotos. Mein Blick bleibt an meinen Augen haften. Mein linkes Oberlid hängt auf den Wimpern wie eine kaputte Markise und verschleiert meine fröhliche Stimmung. Mein Vater hatte es auch, das „Knickauge“, das lange irgendwie ganz niedlich wirkt – und irgendwann ab fünfzig, gefühlt über Nacht, einen ziemlich müden Eindruck macht. Gespürt habe ich die Hängepartie schon länger, beim Schreiben am Computer, und entwickelte ein en Trick, um die überschüssige Haut nach oben zu blinzeln.
ZWEI TAGE SPÄTER erzähle ich einer Freundin beim Sport von meiner Selfie-Erkenntnis. Sie schmunzelt – und outet sich. Vor Weihnachten hatte sie selbst eine Oberlidstraffung machen lassen – und ich hatte gedacht, es läge an ihr er Frisur, dass sie im neuen aber irgendwie frischer wirkt! Ich inspiziere ihre Augen, erkenne nur einen minimalen hellen Streifen in der Hautfalte – und sitze eine Woche später in der Hamburger Praxis von Dr. Tina Peters. Die plastisch-ästhetische Chirurgin ist Expertin für Blepharoplastiken, so der medizinische Fachbegriff. In Deutschland ist die Oberlidkorrektur die am häufigsten nachgefragte Operation. „Bei Schlupflidern spielen oft genetische Faktor en eine Rolle. Ich höre immer wieder von Patientinnen, dass ihre Verwandt en die gleichen Probleme hätten. Deshalb können auch schon Jüngere betroffen sein“, erklärt die Fachärztin. „Mit den Jahren verstärkt sich der Spannungsverlust. Das Bindegewebsband erschlafft, Fettgewebe kann hervortreten. Auch das altersbedingte Absinken der Stirn und der Augenbrauen fördert die Entwicklung von Schlupflidern.“ Meine Entscheidung, 1500 Euro zu investieren, fällt schnell für einen Eingriff unter lokaler Betäubung. Möglich ist die Operation auch im Dämmerschlaf, einer leichten Sedierung mit einem Cocktail aus Beruhigungs-, Schlaf- und Schmerzmitteln, oder sogar in Vollnarkose.
ICH WEIHE MEINE BESTE FREUNDIN EIN, die mich am Tag der OP begleitet. Irgendwie bin ich nicht mal richtig aufgeregt, die Stimmung in der Praxis ist locker, vermittelt mir Sicherheit. Dr. Peters fotografiert mein Gesicht aus allen Perspektiven, zeichnet Linien auf die Haut und fragt zum Schluss: „Soll das Knickauge bleiben?“ Sie meint die Augenform – und ich verneine. Wir besprechen, dass sie das rechte Auge mit einem „kleinen Schnitt“ angleicht. Damit ist die Entfernung überschüssiger Haut gemeint, die muskuläen Strukturen bleiben unberührt. Auf der linken Seite sieht es anders aus: „Hier bringt nur ein muskelstraffender Eingriff mit Entfernung von etwas Fettgewebe das gewünschte Ergebnis.“ In beiden Fällen will sie den Schnitt so setzen, dass die Narbe in der Lidfalte verschwindet und anschließend unsichtbar ist.
WÄHREND DES EINGRIFFS DARF ICH MIR MUSIK AUSSUCHEN, um 9.30 Uhr startet meine Playlist. Die Einstiche für die lokale Betäubung sind auszuhalten, ein Hamsterbiss wäre schlimmer. Bevor ich beide Augen schließen muss, sehe ich das Skalpell in den lilafarbenen Handschuhhänden der Ärztin. Ich spüre nichts. Wir unterhalten uns über das Lied, das gerade läuft, die Assistentin tupft an meiner Schläfe, der Medizinstudent im Praktikum macht Fotos – und beim vierten Song sagt Dr. Peters: „So, das erste Auge ist fertig.“ Beim zweiten höre ich ein zischendes Geräusch, es riecht nach verbrannter Haut. Keine Schmerzen, nur Herzklopfen. Die Ärztin beruhigt mich und erklärt, was sie gerade macht: „Ich straffe den Muskel mit einer bipolaren Pinzette, der Geruch entsteht durch die Verödung der Gefäße.“ Dann klebt sie dünne Pflasterstreifen auf die Wunde, ich darf die Augen öffnen und mich mit einer Coolpack Brille im Ruheraum hinlegen. Es ist 10.15 Uhr. „Das Wichtigste ist, in den ersten zwei, drei Tagen gut zu kühlen“, sagt die Assistentin, „am besten jede Stunde für zehn Minuten. Und gönnen Sie sich Ruhe, das fördert den Heilungsprozess. Lagern Sie beim Schlafen den Oberkörper hoch, nicht bücken, keine schweren Sachen heben und 14 Tage lieber kein Sport.“
UM 11.15 UHR HOLT MEINE FREUNDIN MICH AB. Eigentlich wollten wir ein Taxi nehmen, aber da das Wetter so schön ist und ich mich fit fühle, gehen wir die 20 Minuten zu Fuß zu meiner Wohnung. Mit Sonnenbrille, meinem wichtigsten Accessoire für die kommenden Wochen. Bis auf ein leichtes Puckern ist an diesem Tag nichts zu spüren. Unter dem rechten Auge hat sich ein kleiner Bluterguss gebildet, die Partie ist angeschwollen – und ich kühle stündlich weiter. Das Schlimmste für mich als Bauchschläferin ist die Nacht. Aus Kissen und Decken baue ich mir eine Mulde, die mich auf dem Rücken hält.
AM FÜNFTEN TAG SITZE ICH WIEDER AM SCHREIBTISCH, sechs Tage später werden die Fäden gezogen und ich bin erstaunt. Die Symmetrie ist mir fremd. „Was ist das denn für eine Eule?“, denke ich. An mein neues rundes Auge gewöhne ich mich aber schnell. Ungefähr einen Monat dauert es, bis sich die Nerven wieder finden und das taube Gefühl auf dem Oberlid verschwindet. Jeden Abend gebe ich ein Augengel („Night Repair Eye“ von Estee Lauder) auf die Lider und massiere es zur besseren Durchblutung mit einem Mikrostromgerät für die Augen ein („Visorelax“ von B. Kettner). Die Narben sind inzwischen selbst bei geschlossenen Augen nahezu unsichtbar, so als würde ein dünnes blondes Haar auf der Haut liegen. Gesehen hat niemand, dass sich mein Blick auf die Welt verändert hat, nicht mal meine Mutter. Als sie mich das erste Mal nach dem Eingriff sah, sagte sie nur: „Du warst viel an der frischen Luft, nicht?“