FÜNF FRAUEN – FÜNF MEINUNGEN. Reichen Wasser, Schlaf und Sport, um frisch auszusehen? Oder sagen Sie ja zu Faltenbehandlung und Co.?
„Hinter der Kritik an Beauty-OPs steckt oft Neid.“
Dr. Ada Borkenhagen.
Die Psychotherapeutin erforscht den Selbstoptimierungstrend und verrät ihr Alter nicht.
„Naturkosmetik reicht mir, um mich schön zu fühlen.“
Claudia Weingarte, 47, Taschen-Designerin (Rosenstaub), Model für die Dr. Scheller-Kampagne „Naturwunder“.
„Die Stirnfalten halte ich mir mit Faltenunterspritzung vom Leib.“
Grit Montirmani, 47, Krankenschwester, möchte nicht gestresst aussehen.
„Schönheitseingriffe wurden für mich erfunden!“
Ute Kromrey, 57, Künstlermanagerin im Rock’n’Roll-Bereich, ist froh, dass sich LIfestyle-Sünden heute ausbügeln lassen.
„Zaubern kann ich nicht, aber Gesichter entspannen schon.“
Dr. Tina Peters, 45, plastisch-ästhetische Chirurgin und Gründerin der Praxis HANSEATICUM.
Manche sehen’s gelassen, andere holen sich einen Termin beim BeautyDoc. Fakt ist: Minimalinvasive Eingriffe sind für viele schon Routine. Facelifts nehmen zu. Nur reden mag keiner darüber. Eine plastisch-ästhetische Chirurgin und eine Psychotherapeutin diskutieren mit drei Frauen, die hier ganz ehrlich ihre Meinung sagen.
Fühlen Sie sich eigentich so alt, wie Sie sind?
GRIT: Nur nach einer anstrengenden Woche merke ich, dass ich nicht mehr 20 bin. Im Spiegel sehe ich die Erschöpfung nicht.
UTE: Ich denke selten über mein Alter nach. Höchstens vor meinem Geburtstag oder wenn jemandem etwas passiert, der in meinem Alter ist. Dann kommt dieser Gedanke: „Oh Gott, der war erst 57.“
TINA: Ich weiß gar nicht, wie man sich in irgendeinem Alter fühlen sollte. Und was das bedeuten soll, wenn einige sagen, dass sie in Würde altern wollen. Mit den Falten wird doch die Würde nicht weggespritzt.
CLAUDIA: Ich finde, manche machen wirklich eine traurige Figur, wenn sie versuchen, krampfhaft jung zu wirken. Ich würde zum Beispiel keine geflochtenen Mädchenzöpfe mehr tragen.
ADA: Einige speichern ein Bild von sich als junger Mensch ab und hängen dem nach. Deshalb tragen sie weiterhin die gleichen Klamotten und die gleiche Frisur
UTE: Ich bin gesund, spüre keine Einschränkungen. Für mich hat das gefühlte Alter deshalb viel mehr mit der körperlichen Verfassung zu tun als mit der Optik.
Wie lässt sich der Unterschied zwischen dem biologischen und dem gefühlten Alter erklären?
ADA: Zu Zeiten von Jane Austen waren Frauen mit 30 schon unverheiratbar. Das war die Deadline. Heute fühlen wir uns länger jung, weil wir länger leben. Wir altern anders als unsere Mütter und Großmütter. Die hätten mit 40 keinen Jeansrock mehr getragen. Die Babyboomergeneration stemmt sich gegen das Alter. Demnächst werden wir an den Falten den sozialen Status ablesen können.
GRIT: Bei den Zähnen ist das ja jetzt schon so…
Wer von Ihnen hat etwas machen lassen?
TINA: Ich habe mir schon mit 34 die Zornesfalte entfernt und spritze regelmäßig nach, um nicht zu hören: „Guck nicht so grimmig.“
GRIT: Genetisch bin ich auf Stirnfalten programmiert. Mit 40 habe ich Faltenunterspritzung für mich entdeckt und halte sie mir so vom Leib. Hyaluronsäure gönne ich mir auch ab und zu.
UTE: Als ich 1987 beruflich für einige Jahre nach Amerika zog, habe ich mir sofort den Busen verkleinern lassen. 2003 hatte ich mein Facelift. Das wussten in der Firma alle, weil ich mir dafür freinehmen musste. Meine Lider sind auch gestrafft. Mit den Operationen bin ich durch. Hyaluronsäure und Co. mache ich immer wieder. Die letzte Spritze liegt zwei Stunden zurück.
CLAUDIA: Tat’s weh?
UTE: Überhaupt nicht.
CLAUDIA: Ich kann mir das für mich nicht vorstellen.
GRIT: Aber deine Haare färbst du doch auch.
CLAUDIA: Das gehört für mich zur Pflege. Aber ich möchte mir nichts spritzen oder an mir herunschnippeln lassen. Wenn’s schief geht, habe ich damit ein Leben lang zu tun.
TINA: Eine Operation birgt immer Risiken, das darf man nicht unterschätzen. Selbst minimalinvasive Eingriffe gehören in professionelle Hände und müssen vorher genau besprochen und geplant werden. Man geht ja nicht in einen Laden und kauft sich ein Kleid. Es ist wichtig, sich genau zu informieren und sich nicht von Billigangeboten locken zu lassen.
CLAUDIA: Mal ganz davon abgesehen, was alles passieren kann, will ich außerdem nicht kramphaft jünger wirken.
UTE: Das ist doch gar nicht der Punkt. Du kannst ein 60-jähriges Gesicht eh nicht auf 20 spritzen. Mir geht es darum, frisch und entspannt auszusehen. Ich hatte früh Falten. Sonnenschutz 50 gab es in meiner Jugend nicht. Keiner hatte mir gesagt, dass drei Wochen Strandurlaub im August in Spanien die Haut kaputt machen. Ich bin froh meine Lifestylesünden jetzt ein wenig ausbügeln zu können.
Ist das nicht auch eine Geldfrage?
ADA: Absolut. Das kann sich nicht jeder leisten. Und deshalb ist auch immer etwas Neid dabei.
CLAUDIA: Neidisch bin ich nun wirklich nicht! Ich denke, wer mit sich im Reinen ist, sich fit hält, gesund ernährt, Wert auf eine gute Hautpflege und Makeup legt, braucht keine Schönheitschirurgie.
UTE: Wenn gute Produkte ausreichten, würde niemand was machen lassen. Ich auch nicht.
TINA: Durch den altersbedingten Volumenverlust des Bindegewebes fehlt der Haut irgendwann die Grundlage. Sie gerät ins Rutschen, und dagegen kommt keine Creme an.
UTE: Was mich richtig ärgert ist, wenn Prominente, die offensichtlich beim Beauty-Doc waren, ihr blendendes Aussehen in Interviews mit „guten Genen, Yoga und viel Wasser“ erklären.
CLAUDIA: Wenn man was machen lässt, kann man‘s doch auch zugeben.
ADA: Die Absatzzahlen der großen Hersteller von Nervengiften & Co. zeigen, dass minimalinvasive Eingriffe in einer bestimmten Gesellschaftsschicht schon Routine sind. Wir reden in Deutschland nur nicht gern darüber.
Und warum reden viele Deutsche nur ungern über ihre Eingriffe?
ADA: Das hat viel mit unserer Arbeitsethik zu tun. Wer sich um sich selbst kümmert, gilt als eitel. Alles will hart erarbeitet sein. Es ist okay, Fett mit Diäten Yoga und Fitness abzutrainieren. Wenn ich mir den Effekt mit einer Fettabsaugung teuer erkaufe, ist das verpönt, obwohl das Ergebnis das gleiche ist.
GRIT: Das ist eine Frage der Priorität. Für Urlaub, Auto und Schnickschnack geben die Leute doch auch Geld aus.
TINA: Ich habe Patienten, die kommen einmal im Jahr für eine Spritze und sind mit 350 Euro dabei. Andere lassen alle sechs Wochen etwas machen oder geben für eine Operation über 10000 Euro aus.
Was glauben Sie, welchen Einfluss haben die sozialen Medien auf diesen aktuellen Selbstoptimierungstrend?
UTE: Irre, diese Form der Selbstvermarktung. Ich erkenne auf Facebook viele gar nicht wieder.
ADA: Mittlerweile gibt es so gut wie keine normal dargestellten Personen mehr. Alle sind „gephotoshopt“. Die Leute denken, so könnten sie auch aussehen.
TINA: Cindy Crawford hat gesagt, sie würde auch gern mal so aussehen wie Cindy Crawford. Dieses „gephotoshopte“ Ideal gibt es aber nicht. Das kann selbst ich nicht kreieren. Das Gesicht frischer und fröhlicher machen? Kein Problem. Perfektion? Nein!
Haben Sie viele Patienten mit übertriebenen Vorstellungen?
TINA: Nein, die meisten wollen unauffällig Spuren des Älterwerdens loswerden. Es gibt aber ein paar, die in so eine Art Selbstoptimierungs-Rausch geraten, sobald sie merken, was eigentlich alles möglich ist.
Und wie gehen Sie mit unrealistischen Erwartungen um?
TINA: Da helfen ausführliche Gespräche. Ich sehe es als meine Aufgabe an, die innere Vorstellung behutsam mit dem äußeren Bild in Einklang zu bringen. Zaubern kann ich nicht. Aber oft jemanden etwas entspannter und glücklicher machen.
Text: SUSANNE FAUST, CAROLIN LOCKSTEIN